1. Die Italienreise - Teil 2


    Datum: 12.04.2018, Kategorien: Medien, Autor: alexboleyn

    ... mich auf den Stuhl am Waschbecken bugsieren wollte, wurde mir der
    
    wirkliche
    
    Ernst der Lage klar. Bis dahin hatte ich tatsächlich geglaubt, daß Tanja sich selbst frisieren lassen wollte.
    
    Ich schätze, man kann sagen, daß der Groschen bei mir an dem Tag ziemlich langsam gefallen ist. Aber ich war wirklich völlig arglos gewesen. Und einen klaren Gedanken zu fassen, wenn Tanjas Blick einem zwischen den Beinen liegt, ist auch nicht gerade leicht. Ganz zu schweigen von diesem Barbiere, dessen Charme wegen Verstoßes gegen die Genfer Konvention verboten gehörte und der Parruchiera, die sagen wir mal, einen nicht hunderprozentig heterosexuellen Eindruck machte.
    
    Trotz allem hatte ich nun endlich begriffen, daß Tanja nicht hierhergekommen war, um
    
    sich
    
    frisieren zu lassen. Oder jedenfalls nicht
    
    nur
    
    .
    
    Ich finde ja nicht, daß es an meinen Haaren viel zu verbessern gibt. Ich mag sie so, wie sie sind. Ich habe kräftiges, dunbelbraunes, beinahe schwarzes Haar und wenn ich es nicht zu sehr mißhandele, ist es seidig und sieht einfach toll aus. Ich hatte es doch nicht so lang wachsen lassen, damit Tanja in einem Affekt beschloß, daraus einen Bubikopf zu machen!
    
    Trotzdem hätte ich mich vielleicht damit einverstanden erklärt, wenn mir Tanjas eigene Frisur nicht als warnendes Beispiel vor Augen gestanden hätte.
    
    Ich schätze, die Parruchiera muß mich für ziemlich begriffsstutzig gehalten haben, als ich da stand und den Stuhl anstarrte, als sei er eine ...
    ... Schlange.
    
    Sie sagte etwas, daß sich wie „si accomodi“ anhörte und mich an den Lateinunterricht in der Schule erinnerte. Nicht, daß das notwendig gewesen wäre, um sie zu verstehen. Was sie wollte, war ja klar.
    
    Ich sah hilfesuchend zu Tanja hinüber. Die war in ihr Schwätzchen mit dem Barbiere vertieft. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich hinzusetzen.
    
    Die junge Frau wusch mein Haar und bugsierte mich dann zu einem anderen Platz. Ich versuchte, ihr klar zu machen, daß ich nur die Spitzen nachgeschnitten haben wollte, aber ich sprach ja kein Italienisch.
    
    Ich bin mir noch immer nicht sicher, was Tanja eigentlich gedacht hat, daß sie glaubte, mir
    
    das
    
    antun zu können.
    
    Meine Vermutung ist, daß sie herausfinden wollte, inwieweit sie mich dominieren und unter Kontrolle halten konnte. Vielleicht hoffte sie, daß noch alles gut werden könnte, wenn ich ihr gegenüber genug kuschte. Wenn das ihr Plan war, war es kein besonders guter.
    
    Wie dem auch sei: Als die erste Strähne zu Boden fiel, geriet ich in Panik.
    
    Anders kann man es, glaube ich, nicht beschreiben.
    
    Ich zuckte richtig zusammen, als ich mein Haar fallen sah. Und dann sprang ich auf und sagte so etwas wie
    
    „No, no! - no, signorina!“
    
    oder so ähnlich. Ich schätze, ich hörte mich etwas unzusammenhängend an. Aber ich war echt entschieden. Ich war entschlossen, mein Haar bis aufs Messer zu verteidigen.
    
    Die arme Parruchiera bekam ganz große Augen. Ich glaube, sie hatte sogar Angst vor mir. Rückblickend muß ich ...
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