Der lila Duft des Lavendel
Datum: 07.06.2021,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byfreudenspender
... wohin. Keine Wunder, dass sie sich Sorgen macht.
Als wir am Krankenhaus ankommen, schaut sie mich aufmunternd an. Gerade sie, die so viele Probleme hat, schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. Dabei strahlen ihre bernsteinfarbenen Augen. Nein, sie funkeln vielmehr und schon wieder zieht sie mich unweigerlich in ihren Bann. Dieses Mädchen ist unglaublich liebenswert.
Wir gehen die breiten Treppen hinauf in den zweiten Stock des Gebäudes. Man sieht sofort, dass es sich um ein Provinzkrankenhaus handelt. Die Struktur ist alt und renovierungsbedürftig. Die Farbe bröckelt an mehreren Stellen ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier qualifizierte Ärzte am Werk sind. Wer gut ist und eine Chance bekommt, der bleibt doch nicht hier?
„Sollten wir nicht schauen, dass Onkel Roland in ein besseres Krankenhaus verlegt wird?", frage ich, als wir einen langen Gang hinuntergehen.
Vera bleibt stehen und sieht mich eindringlich an. Ihre Augen scheinen mich zu beschwören.
„Bitte nicht. Roland möchte hier sterben. Er will seinem Land ganz nah sein, daran hängt sein Herz", antwortet sie entschlossen.
„Aber in einem großen Krankenhaus hätte er sicher bessere Ärzte", versuche ich zu argumentieren.
„Tom, wir haben alles versucht. Wir waren in einem schönen, großen Krankenhaus mit sehr guten und manchmal auch arroganten Ärzten. Auch sie mussten meinem Vater sagen, dass er sterben wird. Wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass ihm kein Arzt ...
... der Welt mehr helfen kann.
Also respektiere bitte seinen letzten Wunsch, hier in der Nähe seines Gutes die letzten Tage verbringen zu können. Am liebsten würde er nach Hause kommen, doch ich sehe mich nicht in der Lage, ihn dort zu pflegen. Wenn er Hilfe braucht, was sollte ich dann tun?"
Ihre Stimme ist kraftlos und traurig. Sie würde ihm gerne diesen letzten Wunsch erfüllen. Das spüre ich in jedem Wort, das sie sagt. Und doch ist sie Realistin genug, einzusehen, dass sie das alleine nie stemmen kann.
„Okay!", sage ich gedehnt.
Ich füge mich ihrem Wunsch. Vera blickt mich dankbar an und dreht sich dann um, um den Weg fortzusetzen. Schon wenige Schritte weiter bleibt sie an einer Tür stehen und klopft an. Dann macht sie auf und tritt ein. Ich folge ihr.
Ich bin schockiert. In einem größeren Raum stehen zwölf Krankenbetten. Acht davon sind belegt. Die Männer sind alle schon etwas älter. Mein Onkel dürfte mit seinen Dreiundsechzig Jahren der Jüngste sein. Aber alle sehen sehr krank aus. Ich denke, es handelt sich bei allen um Krebspatienten, bei denen nur mehr wenig Hoffnung besteht.
Zwölf Betten in einem einzigen Raum wären bei uns in Frankfurt nicht vorstellbar. Die Räume sind auch nicht mehr groß genug, um so viele Betten aufzunehmen. Das war früher auch bei uns anders. Hier in einem Provinzkrankenhaus in der Provence dagegen ist das vermutlich noch immer Alltag.
„Hallo Papa, schau, wen ich heute mitgebracht habe", meint Vera gut gelaunt.
Sie ist ein ...