1. Der lila Duft des Lavendel


    Datum: 07.06.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byfreudenspender

    ... deiner Mutter war", ergänzt Roland.
    
    Eine Zeitlang ist es still. Keiner von uns sagt ein Wort. Die anderen Kranken im Zimmer räuspern sich, einer schnarcht. Das sind die einzigen Geräusche, die zu hören sind. Ich denke nicht, dass die anderen etwas mitbekommen haben. Onkel Rolands Bett liegt etwas abseits von den anderen. Es sind leere Betten dazwischen.
    
    Vera schaut mich fragend an. Erneut drücke ich ihre Hand und lächle sie an. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit ihre Hand gehalten habe. Warum ich das mache, ist mir ein Rätsel. Ich bin nicht so fürs Händchenhalten und Vera kenne ich noch keine vierundzwanzig Stunden. Warum also genau bei ihr?
    
    Ich bin nicht verärgert, auch wenn ich nicht gutheißen kann, was Onkel Roland getan hat. Ich versuche ihn zu verstehen. Es musste eine Lösung her und mit meinem Vater war es manchmal echt nicht leicht. Ich kann auch verstehen, dass Onkel Roland das Weingut nicht hergeben wollte, in das er die Jahre zuvor seine ganze Arbeit und sein Herzblut gesteckt hat. Der Aufbau war sicher nicht leicht. Das hat vermutlich alles er gemacht, mein Vater hat von Weinbau nichts verstanden. Trotzdem, die Art und Weise, wie er das Problem gelöst hat, war nicht in Ordnung.
    
    „Dann gehört eigentlich die Hälfte des Chateaus Tom", sagt Vera. Sie mischt sich damit zum ersten Mal ein. „Genau genommen ja", meint Onkel Roland.
    
    „Dann müssen wir das richtigstellen", beharrt Vera.
    
    „Ich habe ihn im Testament mit der Hälfte des ...
    ... Chateaus bedacht", erklärt mein Onkel.
    
    Damit überrascht er mich und Vera gleichermaßen. Diesmal ist sie es, die meine Hand aufmunternd drückt. Sie schaut mich an und ich sehe die Anspannung in ihren Augen. Sie kann es kaum erwarten, dass ich etwas sage.
    
    „Und mich fragt hier keiner?", ist meine Antwort. Mit der haben offensichtlich beide nicht gerechnet. Das sehe ich an ihren Reaktionen.
    
    „Wie meinst du das?", ist Vera ganz unsicher.
    
    „Bis vor wenigen Minuten wusste ich nichts von der ganzen Geschichte. Plötzlich weiß ich, warum mein Vater und mein Onkel nicht mehr miteinander gesprochen haben und jetzt soll ich auch noch ein halbes Weingut erben. Leute, ich bin Arzt und lebe in Frankfurt", versuche ich meine Verwirrung zu erklären.
    
    „Tom, bitte versteh doch, ich wollte dich nicht überrumpeln. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit und ich wusste nicht, ob du rechtzeitig kommst, damit ich es dir erklären kann", verteidigt sich mein Onkel.
    
    „Bei Gott, Roland, ich bin Euch beiden nicht Böse. Ich finde nicht gut, was du damals getan hast. Ich kann allerdings nachvollziehen, dass du keinen anderen Ausweg gesehen hast. Ich finde es auch sehr lobenswert von dir, dass du mir alles erklärt und mich im Testament bedacht hast. Dazu gehört viel Mut.
    
    Aber ob ich das Erbe annehme oder alles Vera überlasse, kann und will ich nicht auf der Stelle entscheiden. Dafür habe ich zum Glück noch einige Tage Zeit. Genau um das möchte ich mich jetzt erstmal kümmern", sage ich und verlasse das ...
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