1. Der lila Duft des Lavendel


    Datum: 07.06.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byfreudenspender

    ... sie auf. „Nicht jetzt, da sich alles zum Guten wendet. Nicht jetzt!"
    
    Ich gehe zu ihr und nehme sie in den Arm. Sie drückt sich an meine Brust und beginnt zu weinen. Dicke Tränen rollen ungehemmt ihre Wangen hinunter. Sie zeigen, wie unglaublich tief ihr Schmerz ist.
    
    „Wie konnte er nur so von uns gehen? Klammheimlich, als wir drinnen waren?", sagt sie ungläubig.
    
    „Er wusste, dass sein Moment gekommen ist. Alle Lasten sind ihm abgenommen worden. Er hat sich mit mir ausgesprochen und er wusste, dass du nicht alleine bleiben wirst. Er konnte endlich loslassen. Noch dazu war er am - für ihn - schönsten Platz der Erde, das hat er selbst gesagt", erkläre ich ihr.
    
    „Wir haben ihm noch nichts von uns gesagt", protestiert sie. „Oder hast du es ihm erzählt?"
    
    „Das mussten wir ihm nicht erzählen, er hat es auch so gesehen. Er hat uns beim Frühstück beobachtet und ihm war alles klar. Er hat mir in die Augen geschaut und ich wusste sofort, er weiß es."
    
    „Aber wie?"
    
    „Er brauchte dich nur anzuschauen", sage ich. „Er hat gesehen, wie glücklich du bist. Er kennt dich, wie kein anderer."
    
    „Aber so konnten wir uns nicht von ihm verabschieden. Er ist einfach gegangen."
    
    „Er ist nicht gegangen. Er wird immer bei uns sein und solange wir dieses Chateau in seinem Sinne weiterführen, wird er uns helfen. Glaube es mir", versichere ich ihr.
    
    Vera legt die Arme um meinen Hals und den Kopf auf meine rechte Schulter. Sie weint.
    
    „Du hast Recht. Er ist in Frieden gegangen und wird ...
    ... immer bei uns sein", sagt sie. „Ich habe mich immer gefragt, warum er so voller Zuversicht auf dich gewartet hat. Dein Kommen war ihm ganz, ganz wichtig. Jetzt weiß auch ich warum."
    
    „Das war das letzte Teilchen im Puzzle seines Lebens."
    
    „Jetzt habe ich nur noch dich", sagt sie nachdenklich.
    
    Kapitel 5
    
    Vera hat eine wunderschöne Grabrede gehalten. Sie hat es sich nicht nehmen lassen, selbst die persönlichen Worte zu sprechen. Es war unglaublich ergreifend. Sie hat Onkel Roland wie einen eigenen Vater geliebt. Sie hat erzählt, wie sie als kleines Mädchen auf das Weingut kam, wie fremd alles war und welche Angst sie hatte vor der Ungewissheit.
    
    „Paps hat mir diese Angst im Nu genommen. Ich weiß bis heute nicht, wie er es gemacht hat, aber ich hatte bei ihm vom ersten Augenblick an das Gefühl, verstanden zu werden. Er hat mich die Liebe zum Land und die Liebe zum Weinbau gelehrt. Er hat es geschafft, dass ich mich hier zuhause fühle. Er hinterlässt eine ganz große Lücke in meinem Herzen und wird für immer dort seinen Platz haben", meint sie.
    
    Während Vera ihre Rede beendet, lasse ich meinen Blick über die Gesichter der Trauergäste schweifen. Die Frauen haben zum Teil Tränen der Rührung in den Augen. Doch einige der Gutsbesitzer beobachten Vera und taxieren sie. Dabei haben sie ein hinterhältiges Lächeln im Gesicht. Es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, dass sie sich bereits Hoffnung auf ihr Land machen.
    
    Es überrascht sie allerdings, dass ich nicht von ...