1. Erbengemeinschft


    Datum: 16.05.2023, Kategorien: Romantisch Autor: lost_of_mind

    ... Sohn sein. Der junge Mann sah aus wie ER damals. Exakt so, oder was meine Erinnerungen eben so her gaben. Es kam mir vor wie ein Flashback.
    
    Vor lauter Verwunderung konnte ich den Einlassungen kaum folgen. Meine Gedanken waren in Rotation. Ich bekam nur mit dass es um ein halbes Haus ging, welches ich mit diesem jungen Mann wohl teilen sollte. Bis ich richtig begriff was Sache war hatte ich etwas unterschrieben und stand wieder in einem hallenden Flur auf kaltem Marmorboden. Ein junger Mann starrte mich erwartungsvoll an.
    
    "So. Du bist also meine Tante? Und was machen wir jetzt?" "Keine Ahnung. Schlag was vor?" "Willst du dir das Haus denn mal ansehen? Ich kenne es ja bereits." Er lächelte dazu etwas nervös.
    
    Unglaublich. Diese Stimme. Diese Gestik und Mimik! Er schien halbwegs gefasst, dafür dass seine Eltern verschollen waren. Wir setzten uns langsam in Gang und bummelten die steinernen Treppen hinab.
    
    "Ja, wenn du meinst? Wo ist das überhaupt? Ich habe gerade nicht allzuviel mitbekommen." "Kennst du Amarschderwelt? Da noch 10 Kilometer weiter." "Kann man da mit der Bahn hinfahren? Ich habe nämlich kein Auto." "Mit der Bahn? Du machst Witze. Bei uns fahren bestenfalls Pferdefuhrwerke."
    
    "Und wie kommst du hier her?" "Mit dem Mopped." "Hast du noch einen Helm dabei?" "Ja, den von meiner Freundin. Im Topcase." "Nun dann, wenn es so sein soll?"
    
    Er sah mich etwas verwundert an, von oben bis unten, stellte meinen Entschluss allerdings nicht in Frage. Inzwischen ...
    ... waren wir am Haupteingang angekommen, neben dem Fahrradständer stand ein einsames antiquiertes Motorrad. Sofort erkannte ich es.
    
    "Ist das Dein Motorrad?" "Ja! Mein Papa hat es mir zum Achtzehnten geschenkt. Warum?" "Nun ja, ich kenne es. Nur deswegen."
    
    Ich nahm den Helm entgegen, der war etwas zu groß, roch aber eindeutig nach Haarshampoo und Parfüm. Statt dessen wanderte die Handtasche in den Koffer. Ich setzte mich nach ihm auf den Sozius, der enge Rock rutschte weit nach oben, gab bestimmt das verstärkte Höschenteil der Strumpfhose am Bein frei. Es störte mich nicht. Kuschelte mich unangemessen an den breiten Rücken und all die bereits vergessen geglaubten Gefühle brandeten wie ein Tsunami wieder hoch. Vor allem wie der starke Motor gestartet wurde. Der Klang, die Vibrationen. Unglaublich!
    
    Nach vielleicht einer halben Stunde zügiger Fahrt kamen wir in ein Dorf. Viel länger hätte es nicht Dauern dürfen, es fror mich erbärmlich. Längst hatte ich meine Orientierung verloren. Nick musste mir beim absteigen helfen, ich widerstand dem unbändigen Drang ihn zu umarmen. Dann führte er mich durch das Haus.
    
    Ein seltsames Gefühl. Es war so fremd, obwohl drei Menschen darin wohnten, die mir eigentlich sehr nahe stehen sollten. Ein großes Haus. Erkennbar renoviert, allerdings nicht professionell. Es sah nach Heimwerker aus, aber liebevoll gestaltet. Ich begann mich wohl zu fühlen. Soweit man in solchen Zusammenhängen davon sprechen kann. Weit mehr als die Wohnung interessierte ...
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