1. Die Schlaglochpiste am Schwesternheim


    Datum: 08.01.2019, Kategorien: Medien, Autor: Luftikus

    ... grässlicher Gesang aus unzähligen dunkel kratzenden Männerkehlen hallte über das Gelände. Was zum Teufel? Egal. Fenster zu, und weiterschlafen. Mühsam quälte sie sich aus den Federn. Am Fenster erblickte Claudia schlaftrunken eine große Menschenmenge, die sich vor dem Schwesternheim ballte. Die vielen Gestalten trugen Warnwesten, dicke Arbeitsstiefel, gelbe und rote Helme. Die meisten schulterten eine Spitzhacke oder eine Schaufel. Bauarbeiter. Das mussten mehrere tausend sein. Der Geruch erhitzten Teers kroch ihr in die Nase.
    
    Aber das konnte doch gar nicht. Langsam kehrte die Erinnerung wieder, eine böse Ahnung. Ihr Puls schnellte hoch, den Schlaf konnte sie vergessen. Aus dem Gang hörte sie die aufgeregten Schreie der anderen Krankenschwestern. Sie zog sich den Morgenmantel an, und verließ ihr Zimmer. „Claudia, was sollen wir bloß machen?“ Die Mutter der Kompanie war gefragt, ihren Hühnerstall zu ordnen. „Wir versammeln uns erst mal im Frühstückraum.“ Dort lief der Fernseher, 24 Aktuell.
    
    Ungläubig blickten die verkaterten Krankenschwestern auf den großen Flachbildschirm an der Wand, als der Moderator einen Bericht über eine ungewöhnliche Aktion ankündigte. Der Hintergrund rechts neben ihm zeigte eine Bildmontage: ein Schlagloch im Asphalt und ihr Foto, wie sie aufgereiht vor ihrem Schwesternheim standen. Jenes Foto, dass Claudia gestern zittrig in den Händen gehalten hatte. Unter der Grafik stand die dicke Schlagzeile: „Schwesternstrip für's Schlaglochflicken“ Da war ...
    ... doch keine Kamera gewesen. Oder doch? Verdammter Alkohol.
    
    Der Bericht begann mit einer Einstellung ihres Schwesternheims, das in der frühen Morgendämmerung aufgenommen wurde. Es folgten Aufnahmen der Schlaglochpiste. Die Stimme aus dem Off erzählte, dass die Krankenschwestern beschlossen hätten, etwas dagegen zu unternehmen. Dann erschien auf dem Bildschirm Claudia mit dem Satz, den sie jetzt bereute, ihre Aussage, dass für jedes geflickte Schlagloch ein Teil ihrer Schwesterntracht fallen würde. Dieser Bericht lief wohl schon den ganzen Morgen. Wo sonst sollten die ganzen Bauarbeiter herkommen?
    
    Claudia schüttelte den Kopf. So dumm können die Zuschauer nicht sein. Die mussten in den Aufnahmen erkennen, wie betrunken sie da waren, wie wenig ernst sie es meinten. Als sie es sagte, da lachten alle. Jetzt im Bericht war das Lachen nicht zu hören. Hatte sie bei dem Satz nicht schon vor Trunkenheit getorkelt. Der gute gewählte Bildausschnitt blendete es aus. Selbst wenn. Krankenschwestern machen so etwas nicht. Das müssen die Zuschauer wissen. Wieder brandete draußen der Gesang der Bauarbeiter auf.
    
    „Ach Claudia, wir rufen die Polizei, dann dementieren wir alles, und lassen das Gelände räumen.“ Ausgerechnet Judith, gestern betrunken übermütig, heute nüchtern schüchtern. Wie lange warteten sie schon darauf, dass Bauarbeiter kommen, die Schlaglochpiste zu reparieren. Jetzt wegschicken, wo sie endlich vor der Tür standen? Nicht so übereilig. „Also Mädels, wir ziehen uns was an, ...
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