1. Die Vertreibung aus dem Paradies 01


    Datum: 25.03.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byRomeoReloaded

    ... im Putz."
    
    „Das ist nicht nur im Putz. An einer Stelle guckt Stroh raus. Das ist der Unterboden vom Stockwerk drüber! Das ist echt gefährlich!"
    
    Sie sah ihm noch mal lange in die Augen. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Was hatte es bloß auf sich mit diesem Mädchen? Warum ging ihr Blick durch und durch bis in seine Seele? Ging es ihr genauso?
    
    „Du machst dir wirklich Sorgen um uns." Sie nickte anerkennend, stockte dann aber plötzlich, als horche sie in sich hinein. „Ich muss weg", sie tippte mit dem Finger gegen ihren Kopfhörer. „Babyphone. Der Kleine schreit."
    
    Adam schluckte. Nicht jetzt, nicht so. Sie musste ihm noch weiterhelfen. „Kann ich nicht mitkommen?" Sie war überrascht. „Wozu?" Er log. „Ich würde mir gern auch noch ein paar andere Räume anschauen. Ob's noch mehr solche Gefahrenpunkte gibt."
    
    Sie zuckte mit den Schultern. „Na, dann schau dir an, ob mein Zimmer stabil aussieht. Nicht dass du noch in der Zeitung von einer toten Mutter mit Säugling lesen musst."
    
    Sie gingen in den anderen Teil des Scheunentors, wo die Zimmer und WGs lagen. Adam schüttelte angesichts der Bausubstanz den Kopf, aber akut kritisch sah es für ihn nicht aus. Die Besetzer hatten mit einfachen Mitteln aus der großen Lagerhalle einen Gang und Zimmer abgetrennt. Die Wände im Gang waren mit bunten Landschaften wie aus einem LSD-Trip bemalt, aber die Farbe blätterte bereits ab. Der Flur war überraschend ruhig, von der Musik war nur ein leichtes Basswummern zu hören. Dafür schrie ...
    ... plötzlich ein Baby.
    
    „Ich komm ja schon", murmelte sie, beschleunigte ihre Schritte und schloss die Tür zu einem geräumigen Zimmer auf. Es roch nach Windeln und Babypuder. Er blickte sich um. Regale, eine Matratze, Kleider- und Bücherstapel, Rasseln und Schnuffeltiere. Ein uralter Ghettoblaster, obskure Gothic-Poster an den Wänden. Ein Wickeltisch und ein Kinderbett, über das sie sich jetzt beugte. Mit einem kleinen Bündel auf dem Arm kam sie wieder hoch.
    
    „Na, was ist denn, hm? Ist ja alles gut, Mami ist ja da. Jaa, ganz ruhig, alles ist gut, mein Süßer."
    
    Adam blieb in der Tür stehen und sah ihr zu, wie sie mit dem Kind auf und ab ging. So viel zärtliche Mütterlichkeit in dieser Umgebung zu finden, hatte was Rührendes.
    
    „Wie alt ist er?" „Acht Monate und eine Woche." „Und wie heißt er?" „David Gabriel." „Äh – hübscher Name. "
    
    Sie lächelte. „Du findest den Namen komisch. Ist schon okay. Sein Vater hieß Gabriel. Und David heißt er, weil ich irgendwie die Hoffnung habe, er könnte sowas wie ein Nachfahre von König David sein. Klingt bescheuert, was?"
    
    „Gar nicht."
    
    „Na, Hauptsache, er ist ein ganz normales Kind." Sie rieb ihre Nase am winzigen Näschen, das aus dem Bündel hervorschaute. Adam wunderte sich, dass ihr ein normales Kind reichte. Die meisten Mütter hielten ihre Kinder für was ganz Besonderes.
    
    „Warum erzähle ich dir das eigentlich?"
    
    Adam war nicht klar, ob sie jetzt ihn gefragt hatte oder sich selbst. Sie standen sich in dem dunklen Raum gegenüber. ...
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